Das Jahr 2022 kündigt eine Konsolidierung bestehender Trends an. Große Umwälzungen durch neue Technologien wird es nicht geben, aber führende Software-Anbieter sehen eine verstärkte Tendenz zur Vollautomatisierung. Durch den verschärften Arbeitskräftemangel ist außerdem eine endgültige Durchsetzung von Standardsoftware im WMS-Bereich unumgänglich. Es geht also weiter wie gehabt – mit einem kleinen Haken: 2022 könnte die Zukunft der Branche wie kein Jahr zuvor verändern.
2022 bringt Konsolidierung bestehender Trends & verborgene Revolution
Künstliche Neuronale Netze, Augmented-Reality, Blockchain und IOT – das sind Stichworte, die das Herz vieler Technologiefans höherschlagen lassen. Seit Jahren wird der Durchbruch solcher Zukunftstechnologien vorhergesagt. Doch die prophezeite und von manchem fast erwartete Revolution ist zumindest auf dem Logistik-Software-Markt bislang ausgeblieben. Ob sich das im Jahr 2022 ändern wird?
Sieht man sich die Entwicklungen der vergangenen Jahre an, wird deutlich, dass die Konsolidierung bestehender Trends das kommende Jahr prägen wird. Die Corona-Pandemie hatte die Welt 2021 nach wie vor fest im Griff. Auch wenn Entscheidungsträger optimistisch in die Zukunft blicken, werden wir uns auch im Jahr 2022 noch mit der Infektionslage beschäftigen. Es kann mittlerweile verzeichnet werden, dass die Folgen der Pandemie bestehende Veränderungsprozesse ungemein beschleunigen. Lockdowns und Ladenschließungen bringen globale Lieferketten ins Wanken und führen zeitgleich zu einem explodierenden Online-Handel. Die Folge daraus sind die Rückkehr zu regionalen Produktionen und der spürbare Ausbau vorhandener Lagerkapazitäten vieler Unternehmen.
Kontakt- und Reisebeschränkungen fordern von weiten Teilen der Industrie schnelle Lösungen, um eine möglichst infektionsfreie Arbeitsumgebung zu schaffen. Shared-Desks und Home-Office sind in vielen Betrieben mittlerweile an der Tagesordnung. Zugleich sorgt die Aussicht auf ein Pandemie-Ende für eine anziehende Konjunktur. Der Fachkräftemangel, der in der Logistik zu Pandemiebeginn etwas gebremst war, meldet sich aufgrund des verstärkten Wachstums mit aller Macht zurück. Der boomende Online-Handel, zusammenbrechende Lieferketten, eine zunehmende Bedeutung der Logistikbranche und ein Mangel an Arbeitskräften sind somit die zentralen Herausforderungen, für die dienstleistungsorientierte Software-Unternehmen Lösungen schaffen müssen.
Bestehender Trend: Mehr Aufträge – weniger Leute
In der Logistik-Software-Branche ist man sich dieser Problemstellung bewusst. Hannelore Mayr, Branchenexpertin des Logistik-Softwareanbieters CIM, sieht in dieser Entwicklung klare Handlungsanweisungen. „Arbeitskräftemangel ist ein bestehender Trend, der die Unternehmen massiv in Bedrängnis bringt“, resümiert sie und weist auf die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung der Logistikbranche hin. „Es gibt mehr Aufträge, aber weniger Leute, die sie abarbeiten können. Die Kunden wollen folglich Software, die mit weniger Aufwand bedient werden kann“, erläutert Mayr. Ein Trend, der sich ihr zufolge daraus ergibt, ist ein verstärkter Fokus auf Standardisierung. Logistik-Softwareanbieter, die nicht reine Standardsoftware anbieten, werden es künftig schwer haben, da ist sich die Branchenexpertin sicher.
Der Anteil an individualisierten Softwarelösungen liegt laut dem Fraunhofer IML im Jahr 2020 bei deutlich über 20 Prozent. Der Grund hierfür liegt in den individuellen Anforderungen von Logistikunternehmen an ihre Lagerverwaltung. Bislang schien es einfacher, die Prozesse an das Unternehmen anzupassen, als die Mitarbeiter auf neue Prozesse zu schulen. „Hier sehen wir eine deutliche Veränderung auch von Seiten der Kunden, die zunehmend bereit sind, unsere optimierten Prozesse mit Schulungen umzusetzen“, führt Mayr aus. Für WMS-Nutzer ergibt sich letztlich ein größerer Nutzen, da mit Standardsoftware eine höhere IT-Sicherheit genauso gewährleistet werden kann, wie eine einfachere Implementierung und Umsetzung.
Automatisierte Lösungen
Ein weiterer Trend, der sich Mayr zufolge auf dem WMS-Markt abzeichnet, ist eine zunehmende Umsetzung automatisierter Lösungen. „Das hat sich im Vorjahr bereits angekündigt“, sagt Mayr und führt die zunehmende Vollautomatisierung von Lagern als bekannte Formel gegen den Fachkräftemangel an. Der Fokus verschiebt sich jedoch auf das Problem einbrechender Lieferketten, das mit lokalen Corona-Ausbrüchen hochaktuell geworden ist. „Wie kann ein Lager 48 Stunden ohne Betreuung autark funktionieren – und zwar trotz möglicher Zwischenfälle?“
Um diese und mehr Fragen zu beantworten, ist CIM in einem Schweizer Innovationsprojekt involviert, das sich mit den Herausforderungen einer fortschrittlichen Automatik im Lager beschäftigt. Ein Durchbruch in diesem Bereich würde nicht nur stockende Lieferketten aufgrund einer externen Beeinträchtigung wie beispielsweise einer Pandemie verhindern. Sondern auch in Sachen Arbeitsplatzattraktivität und Arbeitnehmerfreundlichkeit könnten wertvolle Fortschritte erreicht werden.
Die Folgen der Pandemie
In der WMS-Branche sind große Umwälzungen im neuen Jahr also nicht zu erwarten. Zu sehr hat Corona das Alltagsgeschäft der Märkte geprägt. Vermutlich wird die globale Bevölkerung sich noch Jahre mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Pandemie beschäftigen. Trotzdem bleibt die Hoffnung bestehen, dass sich 2022 noch als Jahr verborgener Revolutionen entpuppt. Die gegenwärtigen Forschungstrends lassen nämlich aufhorchen: Hinter den verschlossenen Türen von Entwicklungsteams deutet sich ein fundamentaler Wandel an, der die bestehenden Trends der Logistik-Software-Branche grundlegend verändern dürfte.
Denn auch im kommenden Jahr forschen Unternehmen intensiv an Anwendungsmöglichkeiten Künstlicher Neuronaler Netze im Lager. Sieht man sich die Projekte der großen Forschungsinstitute an, wird deutlich, dass Wissenschaftler*innen längst über die theoretische Grundlagenforschung hinaus sind. Logistik-Lehrstühle von Universitäten wie der TU München kooperieren bereits mit führenden WMS-Softwareanbietern, um Forschungsbemühungen mit den Anforderungen der Wirtschaft in Einklang zu bringen. Es dürfte spannend werden, wenn die Veröffentlichungen von Wirtschaft und Wissenschaft ihre Errungenschaften im Jahr 2022 präsentieren.
Fazit
Trotzdem gelten auch im kommenden Jahr die Grundsätze, an denen kein Produkt vorbeikommt. Wirtschaftlichkeit, Umsetzbarkeit und Praktikabilität diktieren letztlich, wohin sich der Markt bewegt. Aber vielleicht entwickeln sich die Grundlagen für die überlegenen Systeme , die den ersehnten Durchbruch der großen Tech-Schlagworte bringen werden. Bis dahin gilt es auch in 2022 – in gebotenem Abstand – gespannt abzuwarten auf das, was da kommen mag.
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