Sowohl für Organisationen als auch für Privatpersonen wird die heutige Welt immer unberechenbarer. Krieg, Fachkräfte- sowie Rohstoffmangel und das pandemische Geschehen sind hier als aktuelle Schlagworte zu nennen. Durch diese Gegebenheiten können mittel- und langfristig gemachte Pläne bereits nach kurzer Zeit wieder obsolet werden. Man muss flexibel reagieren können und sein Vorgehen mit entsprechend kurzen Vorlaufzeiten ändern können. Allerdings haben viele Unternehmen und Organisationen gewachsene Strukturen, die eine kurzfristige Implementierung agiler Arbeitsweisen nur
schwer möglich macht. Um trotzdem Vorteile des agilen Projektmanagements nutzen zu können, kann als Zwischenschritt das hybride Projektmanagement Abhilfe schaffen.
Hybrides Projektmanagement als Schritt auf dem Weg zur Agilität – Erfahrungen aus der Praxis
Zunächst bedeutet der Begriff “hybrid” in diesem Zusammenhang die Kombination aus klassischem Projektmanagement (auch Wasserfallmethode genannt) und dem agilen Projektmanagement. Das klassische Projektmanagement geht chronologisch vor. Zu Beginn des Projekts wird von einer oder wenigen Personen alles geplant und Meilensteine sowie Deadlines festgelegt. Demgegenüber steht die Agilität. Diese kam als Begriff Anfang der 90er Jahre auf und wurde vor allem schnell im Software-Umfeld adaptiert. Sie steht im Organisationskontext für Kunden- und Mitarbeiterzentriertheit sowie iteratives Vorgehen bei Prozessen, eingebettet in eine agile Kultur mit regelmäßiger Evaluation von Leitbildern wie
Vision und Mission. Praktisch drückt sich Agilität so aus, dass inhaltliche Ziele vorgegeben sind, die von den ausführenden Teams in Selbstorganisation zu erfüllen sind.
Diese Art des Arbeitens ist innerhalb vieler Organisationen noch ein Problem. Denn seit vielen Jahren ist klassisches Projektmanagement mit festen Vorgaben und Strukturen genutzt. Für Manager:innen in diesen Unternehmen ist es schwer, sich mit der agilen Arbeitsweise anzufreunden. Häufig bekommen sie von der Managementebene darüber harte Vorgaben, die sie erfüllen müssen und dann an ihre Teams weiterreichen. Auch Mitarbeiter:innen sind teilweise verunsichert, wenn sie sich selbstverantwortlich organisieren sollen. Sie können dadurch zu Blockade-Haltungen neigen oder tatsächlich weniger produktiv arbeiten als in einem “traditionellen” System.
Zwischenschritt: Hybrides Projektmanagement
Hier kann ein Zwischenschritt helfen: Das hybride Projektmanagement. Teile des Projekts werden innerhalb der bekannten Strukturen des klassischen Projektmanagements an einigen Stellen bereits agil umgesetzt. Wir bei bytabo – als sehr agil arbeitendes Unternehmen – nutzen diese Form des Projektmanagements, wenn wir bei unseren Kunden (Mittelständler mit über lange Jahre gewachsene Strukturen) auf eine geringe Bereitschaft treffen, sich auf diese sehr starke Agilität einzulassen.
In der Praxis sieht das folgendermaßen aus. Wir gliedern einerseits das Projekt in mehrere Phasen, die jeweils eigene Ziele verfolgen, eigene Zeiträume haben und sich nicht überlappen. So wird die agile Arbeitsweise der iterativen Schritte in geschlossene Projekte übertragen. Jede dieser einzelnen Projektphasen bekommt einen groben Projektplan, ein Projektbudget (je nach Phase fest oder variabel) und ein vorläufiges Enddatum, zu dem ein Ergebnis zu präsentieren ist. So “übersetzen” wir das agile Vorgehen in eine für alle Beteiligten verständliche Projektsprache, ohne viel von dessen Geschwindigkeit und Flexibilität zu verlieren.
Agile Bearbeitung im Projekt
Andererseits werden die Teile des Projekts, die wenige Berührungspunkte mit der Kundenorganisation haben, von uns intern rein agil bearbeitet. So wird beispielsweise die Softwareentwicklung mittels SCRUM durchgeführt. Auch unsere Design-Ressourcen werden nach dem Kanban-Prinzip vergeben. Auf diese Weise können sich die Teams selbst organisieren, flexibel reagieren und effektiv arbeiten, ohne dabei überlastet zu werden. Damit kann zudem effizient auf sich ändernde Anforderungen eingegangen werden. Diese würden im klassischen Projektmanagement einen sehr hohen Änderungsaufwand (Neuplanung, Terminverschiebungen, etc.) bedeuten. Natürlich sind Änderungen immer entsprechend zu kommunizieren.
Beispielsweise ist den Stakeholdern zu vermitteln, dass inhaltliche Änderungen auch immer mit einer entsprechenden Verschiebung des kommunizierten groben Zeitplans einhergehen. Auf organisatorischer Ebene bedeutet dies, dass im hybriden Projektmanagement auch einzelne Rollen hybrid besetzt sind. So wird in unserer Organisation häufig die SCRUM-Rolle des Product Owners (der die Perspektive der Nutzer:innen einnimmt, User Stories schreibt und sich mit den Stakeholdern abstimmt) von der gleichen Person ausgeübt, die für dieses Projekt als klassische:r Projektmanager:in tätig ist. Diese Person koordiniert auch Absprachen, legt externe Termine fest und hält diese nach, was nicht ursprünglich der Rolle des Product Owners entspricht. Dahingegen nimmt zum Beispiel die SCRUM Masterin nur die ihr im SCRUM-Framework zugedachte Rolle ein. Und auch der Projektsponsor aus dem klassischen Projektmanagement übernimmt nur diese eine Rolle in ihrer ursprünglich bekannten Form.
Mit dieser Arbeitsweise schaffen wir es, die Vorteile der agilen Arbeitsweise intern zu nutzen, ohne einen Konflikt in der Arbeitsweise mit der Kundenorganisation auszulösen. Generell ist hybrides Projektmanagement auch bei internen Projekten in Organisationen nutzbar, die noch nicht agil arbeiten. So können beispielsweise Teams der Softwareentwicklung intern agil arbeiten, während ihre Projekte im Organisationskontext die klassischen Projektkomponenten aufweisen und somit von der restlichen Organisation verstanden und akzeptiert werden.
Fazit
Wir haben hier gesehen, dass sich durch den vermehrten Kontakt mit agil arbeitenden Teams auch bei klassischen Projektteams die Arbeitsweise ändert und die Bereitschaft steigt, sich mit dieser Art der Organisation und Zielerreichung auseinanderzusetzen. Bei einigen Organisationen waren bei Folgeprojekten bereits einige Teammitglieder aus den ehemals klassischen Teams in die agilen Entwicklungsteams mit eingebunden und konnten so erste Erfahrungen sammeln, welche sie dann wiederum in ihre ursprünglichen Teams getragen haben. So kann das hybride Projektmanagement einen Beitrag zur Modernisierung der Arbeitsweise leisten und ein erster Schritt auf dem Weg zu einer agilen Organisation bilden.
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